Sabine
Mein Name ist Sabine S. Spitz.
Ich war gerade 51 Jahre alt (02.2014) und hätte die psychologische Leitung eines Krisenzentrums 120 km entfernt mit psychiatrischen Jugendlichen übernehmen sollen, aber es kam alles anders. Dieser neue Job wäre noch einmal eine neue Herausforderung in meinem Leben als klinische Psychologin und psychoanalytische Psychotherapeutin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gewesen, doch ich wurde völlig unerwartet de novo mit metastasiertem Brustkrebs mit Knochenmetastasen diagnostiziert.
In diesem Moment riss es auch mir, obwohl ich mit Tod und chronischen Erkrankungen in meinem beruflichen Leben zu tun hatte, den Boden unter den Füßen weg. Ich wollte und konnte von einer Sekunde auf die nächste nicht mehr ans Arbeiten im herkömmlichen Sinn denken. Am nächsten Tag weinte ich fast 7 Stunden im Bett. Ich trauerte um mein gesundes Selbst. Ich sah mich in der Phantasie schon bis zum Hospiz und sterbend und dann kam ich wieder zu mir. Ich sah, dass ich noch lebte und beschloss, es noch möglichst lange und so gut wie möglich zu tun. Ich bin davon überzeugt, dass wir alle merken, wenn es wirklich dem Ende zugeht.
Ich hatte lediglich eine kleine Hauteinziehung auf meiner Brust entdeckt und ließ diese überprüfen. Bereits die Mammographie mit Ultraschall war extrem auffällig und der Diagnosemarathon in der Wiener Universitätsklinik, Brustgesundheitszentrum des Wiener AKH ging los. Ich hatte mich bewusst für eine Universitätsklinik entschieden. Ich wollte möglichst nahe an der Forschung sein und auch alle nötigen, apparativen Untersuchungen bekommen
Es war mir klar, dass ich mir in diesem riesigen Krankenhausmoloch meinen Weg würde bahnen müssen. Ich brauche gute, menschliche Kontakte und ärztliche Beziehungen. Vor allem am Anfang war es teilweise schrecklich und ich verweigerte mich auch bisweilen. Danach wurde ich nur mehr an sehr empathische Onkologen weiter geleitet und dort blieb ich dann bis heute.
Meine Metastasen wurden nur mittels eines Stagings mit dem PET-CT entdeckt und waren für das Knochenszinti zu klein. Ich habe ein lobuläres Mammakarzinom mit vorwiegend osteolastischen Knochenmetastasen vom Brustbein über alle Skelettknochen bis in die Oberschenkelknochen, relativ klein, wenige mm groß aber sehr viele. Ich bin zu 90% Hormonrezeptor positiv, wie der Pathologiebefund nach der OP ergab.
Ich kam in eine Studie und im Rahmen dieser wurde mir vor der systemischen Behandlung die Brust entfernt, was ich auch wollte. Die Studie wurde später abgewürgt, aber ich bin davon überzeugt, dass die OP hilfreich ist auch wenn es dazu erst eine sehr spärliche Studienlage gibt.
Nach der Ablatio bekam ich Bestrahlungstherapie. Dadurch litt ich stark unter dem Fatigue Syndrom, was auch bis heute noch nicht ganz weg ist.
Ich wurde mit Tamoxifen, Zoladex und XGeva behandelt und war die nächsten 5,5 Jahre stabil. Ich begann mich als Patient*innenvertreterin (Patient Advocate) bei Europa Donna Austria und bald auch bei EUPATI Österreich zu engagieren und absolvierte einen 14 monatigen Patient*innenexpert*innenkurs bei EUPATI Europe.
Drei fast vier Jahre war ich recht aktiv, aber dann merkte ich, dass meine Energiereserven nicht mehr so gut waren und ich zog mich relativ zurück. Ich mache nur mehr ein wenig und auch das forschungsorientiert.
In der ersten Zeit machte ich ein wenig Übungen mit den Smooveys und begann dann ganz langsam Yogaübungen zu erlernen. Nach einem Jahr begann ich wieder zu tanzen (Standard neu und israelische Tänze, die ich aus beruflichen Gründen hatte aufgeben müssen).
Inzwischen war meine unbefristete Erwerbsminderungsrente nach einem dreiviertel Jahr Krankenstand durch und ich hatte ein geringes, gesichertes Auskommen. Ich bin als Alleinlebende Selbsterhalterin und auch kinderlos. Ich wollte schon Kinder aber es hat sich in meinem Leben leider nicht ergeben. Ich habe nur mit ihnen gearbeitet.
Nach 5,5 Jahren wurde lediglich auf Grund eines seltsamen Kopf CTs zur Sicherheit ein PET-CT gemacht und dabei entdeckt, dass meine Metastasen wieder aktiv sind. Daraufhin wurde meine Medikation umgestellt.
Bisweilen nerven mich die Nebenwirkungen, Fußknochenschmerzen, ich kann nicht mehr so lange gehen wie früher und seit dem Aromatasehemmer Muskel- und Gelenkschmerzen. Mein Magen war immer schon extrem sensitiv und ich nehme mittlerweile eine geringe Dosis Protonenpumpenhemmer. Ich habe ein Lymphödem auf dem linken Arm, wo alle Lymphe entfernt wurden. Die Wortfindungsstörungen habe ich immer noch ziemlich. Die typischen Wechselbeschwerden waren in meinem Alter nicht ganz so schlimm. Ich schwitze und friere auch, aber nicht so stark wie andere.
Ich zog 5 Jahre später mit der zweiten Brust nach und da wurden eher zufällig auch zwei befallene Lymphknoten gefunden und mit mehreren gesunden Lymphknoten entfernt.
Seit zwei Jahren habe ich wieder in einem Chor zu singen begonnen und auch das Tanzen, israelische Tänze aber keine Standardtänze mehr, ist mir nach wie vor sehr wichtig und auch per Zoom sehr gut möglich. Natürlich vermisse ich die Einzelstimmen im Gesamtklang sehr, aber besser Zoom als gar nichts. Sowohl das Singen als auch das Tanzen hatte ich in jüngeren Jahren aus beruflichen Gründen aufgeben müssen. Daneben mache ich noch Yoga, meine Mamma-Physioübungen und gehe gerne spazieren. Im Sommer schwimme ich im Dachswimmingpool meiner Wohnhausanlage. Ich wollte eigentlich auch damit beginnen, mehr an kulturellen Veranstaltungen, wie Oper, Theater, Konzerte, Museen, teilzunehmen, aber Corona machte mir da einen dicken Strich durch die Rechnung.
Meine Familie und meine Freund*innen unterstützen mich sehr. Es hat sich noch einmal die Spreu vom Weizen getrennt durch die Erkrankung.
Wenn ich einmal traurig bin, lasse ich es zu und dann geht es wieder weg. Im großen und ganzen kann ich gut schlafen, wenn auch in Intervallen von 1 bis 3 Stunden. Ich habe das große Glück, dass mein Körper sehr gut auf die Therapien anspricht und bin daher nicht ganz so aufgeregt vor den CT Stagings wie andere.
Wenn ich Kopfschmerzen habe, muss auch ich mir sagen, das sind keine Hirnmetastasen das sind normale Kopfschmerzen. Wenn es schlimmer und häufiger würde, würde ich es aber mittels MRT überprüfen lassen. Ich glaube, es geht uns allen so, dass neuartige Wehwehchen die Angst vor neuen Metastasen aufblitzen lassen.
Ich bin jetzt wieder stabil und erfreue mich am Leben in meiner sehr kleinen Einzimmerwohnung mit einem, lieben, kleinen Balkon, meinen Übungen (Mammaphysio-, Atemstimm- und Yoga), dem Singen und den israelischen Tänzen, schwimmen und spazieren gehen.
Ich bin eine der Administratorinnen einer privaten Gruppe mit ca. 450 Frauen und Männern mit metastasiertem Brustkrebs und das erfüllt mich sehr und bedeutet mir sehr viel.
Mein Motto ist: genießt das Leben und zerstört es euch nicht früher, als es sein muss. So lange und so gut wie möglich!