Sonja
Ich erhielt die erste Brustkrebsdiagnose 2006 im Alter von 30
Jahren. Es war wie in einem schlechten Film. Als würde ein
Schleier über mir liegen. Ich hörte zwar, wie die Arztin sagte:
Sie haben Brustkrebs“, aber verstanden habe ich ab diesem
Zeitpunkt kaum noch etwas. Ich stand unter Schock. Und
hatte keine Vorstellung davon, was alles auf mich zukommen
wird.
Mein Sohn war damals gerade mal 24 Jahre alt. Damit
mein Mann weiterhin arbeiten gehen konnte, aber ich
immer Unterstützung habe, zog meine Mutter kurzerhand
bei uns ein. Trotz des Schockzustands überlegte ich mir
eine Strategie, wie ich mit dieser bedrohlichen Diagnose
und all den Angsten umgehen könnte: Ich fokussierte mich
auf die Schritte der Therapie zuerst die Operation und
dann die Chemotherapie und dann ist es vorbei. Das war
der ,Kopfkino-Plan“. Ich hatte nicht bedacht, dass ich ja
noch eine mehrwöchige Strahlentherapie vor mir hatte, ie
Zeit-und kräfteraubend gewesen war. Während der Chemo
nahm ich 9 kg ab, war konstant erschöpft und müde, zu nichts fähig. Heute noch bin ich meinen Eltern und meinem Ex-Mann sehr dankbar für die Unterstützung. Ich hätte es alleine nicht geschafft.
Nach der Operation, Chemo- und Strahlentherapie musste
ich insgesamt füntJahre die Antihormontherapie nehmen und
war mit allen mögichen Nebenwirkungen konfrontiert. Als besonders belastend empfand ich auch die notwendigen Kon-
trolluntersuchungen- zu Beginn alle drei Monate, dann halb-
iährlich, zuletzt jährlich. Vor jeder Kontrolle hatte ich Angst. Angst, dass was sein könnte. Erst mit den Jahren wurde esleichter und man , freundet“ sich mit dem Gedanken an, dass
man es geschafft hat. Oder eben nicht …
Ich arbeitete wieder in meinem Beruf als Ambulanz-
Sekretärin in einem Wiener Spital. Es war 2015, als ich immer wieder auf der linken Seite starke Schmerzen verspürte. Eines Tages im Nachtdienst war es so schlimm, dass ich weder sitzen, noch stehen oder liegen konnte. Ein Arzt, der ebenfalls Dienst hatte, sprach mich an, ob irgendwas nicht in Ordnung sei. Ich erzählte ihm von meinen Schmerzen und dass ich mir wahrscheinlich einen Nerv eingeklemmt habe. Er hielt nichts von dieser Theorie und veranlasste sofort eine Reihe von Untersuchungen. Dann der Schock: Neun Jahre nach der Erstdiagnose war der Krebs zurückgekommen. Metastasen in der Lunge. Ich hatte sehr viel Flüssigkeit in der Lunge und wurde punktiert. Es war auch geplant, Teile der Lunge operativ zu entfernen, aber letztendlich entschlossen sich die Arzte, nur die Flüssigkeit abzuleiten und mit einer Chemotherapie (in Tabletten-
form) zu beginnen. Der Gedanke, wieder eine Chemo machen zu müssen, war schrecklich. Und eigentlich wollte ich nicht nochmal durch das alles durch. Ich mach keine zweite Chemo mehr, will das nicht – war meine spontane Reaktion. Je näher ich die Tabletten zum Mund führte, umso übler wurde mir. Alleine der Geruch stief mich ab.
Aber dann dachte ich an meinen kleinen Sohn und daran,
dass ich ihn aufwachsen sehen will. Und dass er mein Ein
und Alles ist. Und ich war entschlossen, nicht einfach so
aufzugeben.
Als ich meine Mama weinend informierte, dass der Krebs
zurück ist, packten meine Eltern ihre Sachen und fuhren aus
dem Südburgenland sofort zu mir nach Wien. Mein Sohn
war damals elf Jahre. Ich hatte ihm nie verschwiegen, dass ich
an Brustkrebs erkrankt war, wollte immer offen und ehrlich
zu ihm sein. Und das war ich auch jetzt. Ich sagte ihm, dass
der Krebs zurück sei und ich wieder eine Therapie brauche.
Da ich aufgrund der Chemotherapie wieder meine Haare
verlieren würde, war es schon allein deshalb wichtig, dass er
versteht, was los ist und warum Mama keine Haare hat. Die
Haare waren auch für nmeine Mama ein schwieriges Thema.
Als Friseurin beschäftigte sie sich zeitlebens mit Haaren – und nicht mit Glatzen. Ihrer Tochter die Haare abzurasieren, hätte sie auch emotional überfordert. Ich wollte aber nicht zu meinem Friseur gehen, denn bei der ersten Chemo hatte er gemeint, dass er mir keine Glatze rasiere, denn das grenze an Körperverletzung. Er hatte es zwar dann doch getan, aber kurioserweise führte er mich in der Kartei als Mann. Denn Männer bezahlen weniger für das Rasieren einer Glatze als Frauen. Wieso konnte er mir nicht schlüssig erklären! Also mobilisierte ich meine Freundinnen und wir machten aus dem Rasieren eine Art Event. Zuerst rasierten sie mir einen verrückten Irokesen-Schnitt. Wir lachten sehr viel – und weinten gemeinsam. Das letzte Stück an Haaren habe ich mir selbst abrasiert. Das war sehr bewegend.
Um mich mit anderen betroffenen Frauen austauschen zu können, trat ich der Facebook-Gruppe ,Brustkrebs Österreich“ bei. Hier lernte ich Andrea Pape kennen und anschließend Natascha, Sabine, Barbara. Innerhalb kürzester Zeit wuchsen wir zu den ,Soul Sisters“ zusammen und wurden wahre Freundinnen. Leider ist Barbara 2019 an den Folgen ihrer Brustkrebserkrankung verstorben. Seither sind wir nur mehr zu viert.
2016 zu meinem 40. Geburtstag – bekam ich meinen abschließenden CT-Befund, der besagte, dass die Therapie
erfolgreich gewesen und alles ,weg“ sei. Ich war unglaublich
erleichtert, ging wieder arbeiten und versuchte, in diese neue
Normalität zurückzufinden.
Bis Februar 2018. Leider kamen die Lungenmetastasen wieder zurück. Das ,Gute“ daran war, dass sie verkapselt waren und wir sofort mit einer neuen vielversprechenden Therapie beginnen konnten. Seither stehe ich unter Dauertherapie, bin so weit stabil und komme im Großen und Ganzen ganz gut damit zurecht – wenn man von meiner Thrombose, Nebenwirkungen und der psychischen Belastung absieht.
Meine Freundin Gabi war in all der Zeit eine ganz besondere Unterstützung. Wir konnten immer über alles reden, auch über das Sterben. Sie hat immer die richtigen Worte gefunden, war da und hielt meine Hand, wenn ich Angst hatte. In solchen Ausnahmesituationen spürt man sehr deutich, was wahre Freundschaft ist. Natürlich war auch meine Familie immer für mich da und eine große Stütze. Anfangs behandelten sie mich eher wie ein rohes Ei. Das störte mich sehr. lch war ja immer noch dieselbe wie vor der Krebserkrankung. Offene Gespräche haben uns allen aber sehr geholfen.
Leider war ich gezwungen, meinen geliebten Job im Spital aufzugeben. Das machte mich sehr traurig, weil ich leiden schaftlich gerne als leitende Führungskraft im Bereich der Verwaltung für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da war. Anderen zu helfen war eine wirkliche Berufung und machte mich glücklich. Aber ich wusste, dass ich das leider nicht mehr schaffe. Mir ging im wahrsten Sinn des Wortes die Luft aus.
Jeder Frau, die vielleicht in einer ähnlichen Situation ist, möchte ich gerne sagen:
„Verlier nie dein Lachen und die Hoffnung. Stell deinen Ärzten Fragen, mach dir eine Liste. Es geht schließlich um deinen Körper, dein Leben. Zögere nicht, dich anderen Frauen anzuschließen, die diesen Weg bereits gegangen sind. Sie haben Tipps oder hören einfach nur zu.“
Wenn du einsam bist und auf der Suche nach einem Partner/einer Partnerin,
lade ich dich herzlich ein, in meine geschlossene Facebook-Gruppe „Flirten & Verlieben mit Diagnose Krebs“ zu kommen. Wir wollen hier das Leben feiern, die Schmetterlinge mal wieder im Bauch fühlen, wie ein Teenager sich Hals über Kopf verlieben, ja auch das soll es mit Krebs geben!